My Personal Ten Years: Wir schaffen das! (UA)
Ein Jahrzehnt zwischen Willkommenskultur und dem Sturz Assads.
Von und mit Rania Mleihi

Photo: Qutaibah Istanbuly

Ich kam 2015 nach Deutschland. Hinter mir lag eine Revolution, das Verschwinden von Freund*innen, das Leben unter permanenter Kontrolle und der Abschied von meiner Mutter. Vor mir ein Land, das gerade den Satz „Wir schaffen das“ hörte und diskutierte. Damals wusste ich nicht, wie sehr diese Worte mein Leben begleiten und in Frage stellen würden.

Migration ist kein Übergangszustand, den man einfach abschließt. Sie ist ein dauerndes „Dazwischen“, zwischen Hier und Dort, zwischen Verlust und Hoffnung, zwischen der Sprache, in der man träumt, und der Sprache, in der man sich erklärt. Sie zwingt, sich neu zu erfinden, ohne das Alte je ganz loszulassen.

Heute, zehn Jahre später, ist vieles anders. Angela Merkels Satz ist Geschichte, und im Dezember 2024 ist das Assad-Regime gefallen. Ein Moment, den ich mir jahrelang nicht vorstellen konnte. Zwei politische Wendepunkte, die untrennbar mit meiner Biografie verwoben sind: der Neubeginn im Exil und das Ende einer Diktatur, die meine Heimat geprägt und zerstört hat. Doch die Geschichte Syriens ist nicht abgeschlossen. Das Land steht politisch am Scheideweg zwischen einer möglichen Erneuerung und der Gefahr einer weiteren Eskalation.

„My Personal Ten Years: Wir schaffen das!“ ist mein Versuch, dieses Jahrzehnt als Mosaik aus persönlichen Erinnerungen, dokumentarischen Fragmenten und politischer Analyse zu erzählen. Es ist eine Spurensuche durch Sprache, Körper und Klang. Erzählt in Arabisch, Deutsch und Englisch.

Das Stück fragt: Wie verändert Exil die eigene Identität und wie prägt die neue Gesellschaft das Selbstbild? Welche Spuren hinterlässt das Ankommen in einem Land, das gleichzeitig willkommen heißt und Grenzen zieht?

Ich erzähle nicht nur meine Geschichte. Das Private ist doch politisch. Meine zehn Jahre sind Teil eines kollektiven Gedächtnisses, das aus unzähligen individuellen Biografien besteht. Verglichen mit vielen anderen Syrer*innen ist mein persönliches Schicksal ein mildes, fast privilegiertes und doch hat es einen hohen Preis gefordert. Diese Realität macht deutlich: selbst die „glücklichen“ Fluchtgeschichten sind Verlusterzählungen, eingebettet in ein politisches System, das über Leben, Sicherheit und Teilhabe entscheidet. Geschichten wie meine sind nicht Randnotizen, sondern Teil der deutschen Gegenwart. Gerade jetzt, wo rechte Stimmen lauter werden und politische Debatten sich um Abschiebung, Abschottung und Ausschlüsse drehen, müssen diese Stimmen hörbar bleiben.

Das Stück will Räume schaffen, in denen wir einander zuhören. Räume, in denen Erinnern ein gemeinsamer, politischer Akt wird. Es ist ein Plädoyer für Sichtbarkeit, für die Anerkennung der Vielschichtigkeit von Migration und für den Mut, Geschichte weiterzuerzählen – über sprachliche, kulturelle und geografische Grenzen hinweg.

„My Personal Ten Years: Wir schaffen das!“ ist poetisch und politisch zugleich. Ein persönliches Dokument, das sich mit der Geschichte verschränkt. Es erzählt von Gehen und Bleiben, von Brüchen und Aufbrüchen, vom Erinnern und davon, wie man im Exil nicht nur überlebt, sondern ein neues Leben baut.

Team:
Text, Regie, Performance: Rania Mleihi
Musik: Daniela La Luz
Video: Ruben Müller
Produzentin: Mara Martiz
Outside Eyes: Anne Kapsner, Anne Habermehl, Ruben Müller

Produktion: Stiftung Staatstheater Nürnberg in Koproduktion mit den Münchner Kammerspielen und dem Theater Koblenz

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